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„Möglichst individuelle Lösungen finden“ – Drei Fragen an Lasse Rheingans

Porträtbild Lasse Rheingans

„Möglichst individuelle Lösungen finden“ – Drei Fragen an Lasse Rheingans

Der Bielefelder IT-Unternehmer Lasse Rheingans sorgte vor drei Jahren für großes Aufsehen, als er in seiner Agentur den Fünf-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich einführte. Ein innovatives und ungewöhnliches Modell, das seine Mitarbeitenden so überzeugte, dass sie es beibehalten haben: Intensive Arbeitstage von 8 bis 13 Uhr, danach Zeit für Familie, Hobby, Ehrenamt. Wir wollten wissen, wie das unter Corona-Bedingungen umgesetzt wird und welche Rolle gute Unternehmensführung dabei spielt.

Was hat sich durch die Corona-Pandemie in Ihrem Unternehmen verändert?

Auf den ersten Blick ganz viel: Unsere Büroräume haben wir erst einmal leergeräumt, weil sie in dieser Form nicht mehr gebraucht werden. Alle Mitarbeitenden arbeiten seit über zehn Monaten im Homeoffice. Bei der Arbeit, die wir machen, ist es völlig egal, wo wir sie machen, solange Rechner und stabiles WLAN zur Verfügung stehen. Eine solche Flexibilisierung erfordert motivierte und selbstständige Mitarbeitende. Doch in dieser Zeit haben wir auch festgestellt, dass Homeoffice auf Dauer Nachteile mit sich bringt. Im Sommer haben wir uns als Team in einem gemeinsamen Workshop darüber ausgetauscht: Einige kommen sehr gut mit der Situation zurecht, bei anderen ist die eigene Wohnung zu klein für einen ständigen Arbeitsplatz oder die Ablenkung zu groß. Vor allem fehlt der Bezug zu den Kolleginnen und Kollegen. Und wenn dann auch noch, wie aktuell wieder, Kinder betreut werden müssen, wird die Belastung für einige zu groß.

Wie haben Sie als Unternehmensleitung auf diese Erfahrungen reagiert?

Ganz konkret haben wir die 8-bis-13-Uhr-Regel aufgehoben, damit gerade Eltern selber entscheiden können, wann sie arbeiten. Das geht natürlich nur, wenn alle klar kommunizieren, wann sie erreichbar sind. Mit Blick auf die Zeit nach Corona haben wir die Mitarbeitenden gefragt, was sie sich für die Büroräume wünschen. Wir planen, nur noch ein Viertel der bisherigen Arbeitsplätze im Büro vorzuhalten, denn das Homeoffice wird weiterhin eine Rolle spielen, nur nicht mehr so ausschließlich wie zurzeit. Gewünscht sind vor allem Ruhezonen, Telefonzellen und Räume für Meetings und Workshops, wenn die Kolleginnen und Kollegen wieder ins Büro kommen. Mein Fazit: Es kommt darauf an, möglichst individuelle Lösungen für jede und jeden Einzelnen zu finden. Die Arbeit – vor allem in der wachsenden Dienstleistungsbranche – wird immer individueller, genauso wie die Lebenssituation der Mitarbeitenden. Das müssen wir in den Blick nehmen, denn das erleichtert zum Beispiel auch das Thema Vereinbarkeit. Als Unternehmensleiter halte ich diesen Fokus auf Individualisierung für enorm wichtig, denn das zahlt sich aus für die einzelnen Personen, für das Team und für das Unternehmen. Nur zufriedene Mitarbeitende machen einen guten Job. Deshalb versuchen wir gerade, einen „Glücks-Index“ zu entwickeln, um das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden durch Messwerte abzubilden. Fortlaufende Bewertungen, zum Beispiel durch tägliche Smileys, sollen rechtzeitig auf problematische Bereiche hinweisen.

Was können Sie darüber hinaus tun, um Ihr Team zu unterstützen?

Die Anforderungen an die Selbstorganisation sind hoch, und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen heißt mehr, als die flexibelste Arbeitszeitlösung zu finden oder das beste Stehpult bereitzustellen. Wir kommunizieren regelmäßig und auf Augenhöhe, um unsere Arbeitskultur zu evaluieren. Ganz praktisch bieten wir den Mitarbeitenden einige Hilfestellungen, damit sie ihren Alltag besser regeln können: Die Palette reicht von Yoga-Einheiten über Achtsamkeitstrainings bis hin zur Ernährungsberatung. Insgesamt führt diese Unternehmenskultur zu geringer Fluktuation – in Zeiten des Fachkräftemangels ist das natürlich ein wichtiger Effekt. Doch ich sehe das Ganze auch als eine Haltungsfrage: Als Unternehmen sind wir gesellschaftlich verankert und sollten unseren Beitrag leisten. Wenn wir unsere Mitarbeitenden „im Kleinen“ dabei unterstützen, sich besser zu ernähren oder ihre Work-Life-Balance auszubalancieren, so hat das auch Auswirkungen in die Gesellschaft.