Folge 7 – Interview mit Filiz Koneberg vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft

S1:
Chancen durch Vereinbarkeit – ein Podcast des NRW-Familienministeriums zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gäste aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft sprechen über konkrete, praxisnahe und innovative Ansätze zur Verbesserung der Vereinbarkeit. In dieser Folge spricht Moderatorin Julia Kropf mit Filiz Koneberg vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft. Ihr Thema: Wie werden Unternehmen zur attraktiven Arbeitgebermarke? Und welche Rolle spielen Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
S2:
Ja, ich begrüße heute ganz herzlich Filiz Koneberg. Sie ist Wissenschaftlerin am Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln und Expertin für berufliche Qualifizierung und Fachkräfte. Herzlich willkommen, Frau Koneberg.
S3:
Hallo! Vielen Dank für die Einladung!
S2:
Ja, schön, dass Sie bei uns sind. Lassen Sie uns doch nochmal kurz über das Thema Fachkräftebedarf sprechen. Das ja nun seit einiger Zeit eigentlich immer wieder ein ganz, ganz großes Thema ist und wir gar nicht genau wissen, welche Konjunktur hat das eigentlich im Moment. Also eine Zeitlang wurde ganz viel drüber gesprochen, dann wieder ein bisschen weniger. Vielleicht lassen Sie uns mal auf die Ausgangslage gucken. Auf der einen Seite sprechen wir ja von einem immer mehr zunehmenden, dramatischen Fachkräftebedarf. Also viele offene Stellen können zurzeit nicht besetzt werden, da die passenden Fachkräfte nicht verfügbar sind. Auf der anderen Seite werden aktuell aber auch immer weniger offene Stellen ausgeschrieben. Ist das jetzt eigentlich ein Widerspruch oder wie können Sie uns das erklären?
S3:
Das ist insofern kein Widerspruch, dass wir natürlich sehen, dass während der Corona-Krise jetzt natürlich die Stellen in einigen Berufen und in einigen Branchen schon deutlich abgenommen haben, weil es einfach viel zu viel wirtschaftliche Unsicherheit gab. Von daher ist es auf jeden Fall kein Widerspruch, dass wir sagen: Ok, im Rahmen der Corona-Pandemie haben wir vielleicht weniger Leute gebraucht als davor. Leider können wir da nicht so wirklich Entwarnung geben gerade, weil wir davon ausgehen können und glücklicherweise auch dürfen, dass es nach der Corona-Pandemie alles wieder in einen geregelten Normalzustand hoffentlich kommt und wir dann erst recht wieder mit dem Aufschwung auch wieder mehr Fachkräfte bedürfen. Es gibt aber viele Fachkräfte-Berufe, die weiterhin auch in der Pandemie eng waren, wo es nicht genügend Fachkräfte gab. Meine Kolleg:innen haben auch im letzten September nochmal die einzelnen Berufsbranchen untersucht und haben gesehen, in den Berufsfeldern sieht es in fast allen fast wieder so aus, dass der Fachkräftebedarf bzw. die Fachkräftelücke wieder so hoch ist wie vor März 2020. Es gibt natürlich einige Berufe, da sind auch immer noch anhaltende, also da schleppt es sich ein bisschen, gerade in der Gastro, die ja immer noch stark betroffen ist von der Pandemie. Da sehen wir immer noch weiterhin, dass es deutlich weniger Stellen gibt. Aber auch hier gibt es noch einige Berufe, wo wir nicht genügend Fachkräfte in Deutschland haben. Vor dem Hintergrund ist es natürlich umso wichtiger, unsere innerdeutschen Fachkräftepotenziale so hoch wie möglich zu halten.
S2:
Das heißt, es gibt also große Unterschiede sowohl, was die Berufe, die Branchen angeht, als auch die Regionen. Also es ist ja regional, glaube ich, auch sehr unterschiedlich. Wie würden Sie denn sagen, wie wird sich die Lage in den nächsten Jahren noch zuspitzen? Wann haben wir sozusagen so den Peak erreicht? Vielleicht nochmal so der Blick in die Zukunft da an der Stelle.
S3:
Ja, genau. Also zu prognostizieren, wann wir den Peak erreichen, das kann ich jetzt hier nicht tun. Aber ich kann auf jeden Fall sagen, dass es sich abzeichnet, dass es in den nächsten Jahren nicht unbedingt besser wird. Also wir haben zum einen den demografischen Wandel, der uns ganz stark mit reinspielt. Es gibt einfach immer mehr ältere Menschen als jüngere Menschen, weil wir einfach eine sinkende Geburtenrate haben und jetzt in den nächsten Jahren dann auch die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer langsam in die Rente übergehen und wir dann weniger junge Menschen haben, die auf den Arbeitsmarkt nachrücken und diese Stellen besetzen. Wir hatten jetzt auch in Zeiten der Pandemie weniger Zuwanderung als davor. Da müssen wir auf jeden Fall gucken, dass wir weiter Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt bekommen, um auch dort Stellen zu füllen. Und ja, es wird in den nächsten Jahren voraussichtlich erstmal noch schwieriger, Fachkräfte zu finden.
S2:
Viele Unternehmen setzen da ja an dem Aspekt der Arbeitgeberattraktivität an, wie das so schön heißt. Oder auch Employer Branding, also eine starke Arbeitgebermarke zu entwickeln. Also das wird immer wichtiger, um geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu überzeugen, zu diesem Unternehmen oder zu diesem Arbeitgeber zu kommen. Was versteht man eigentlich ganz konkret darunter, unter Employer Branding, unter Arbeitgeberattraktivität? Wie definieren Sie das in Ihrem Arbeitskontext?
S3:
Also es gibt da auf jeden Fall viele wissenschaftliche Definitionen. Ich denke, das Wichtigste ist, Employer Branding oder Arbeitgeberattraktivität bedeutet eigentlich, seine eigenen Mitarbeiter zu seinen Fans zu machen und auch nach außen zu kommunizieren: Was sind meine Stärken als Arbeitgeber? Was kann ich bieten? Und sich selbst als eine, also wirklich, als attraktive Marke zu verkaufen und auch noch offen nach außen zu kommunizieren, was man kann und stark zu analysieren, was man vielleicht noch nicht so gut kann und darin auch besser zu werden.
S2:
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Fans zu machen, das finde ich eine total schöne Formulierung. Nun ist die Bandbreite aber ja auch echt groß, was man darunter verstehen kann. Also das reicht ja von, also ich sage jetzt mal so, ganz klaren Aspekten wie Gehalt, Arbeitszeit, bis hin zu, ja so Incentives wie: Gibt es noch irgendwie einen Dienstwagen dazu oder ein Fitness-Studio-Abonnement? Ist das alles Teil von Arbeitgeberattraktivität?
S3:
Ja, ich würde schon auf jeden Fall sagen, dass das alles Teile der Arbeitgeberattraktivität sind. Manche sind natürlich auch Incentives, die die Arbeitgeber setzen, weil sie wissen, der Markt ist stark umkämpft. Gerade zum Beispiel bei Ausbildungsstellen sehen wir: Ah, hier gibt es noch ein iPhone dazu. Das soll dann die jungen Menschen locken. Aber am wichtigsten ist den jungen Menschen eigentlich: Was ist das für ein Arbeitgeber? Wie wird der wahrgenommen? Hat der einen guten Ruf und kann ich mich dann selber, wenn ich mich jetzt dort in die Ausbildung begebe, darauf aufbauen, dass ich dann einen guten Start in meine Karriere lege. Also ich glaube, solche Goodies sind auf jeden Fall schön und nett und vor allem schaffen sie Aufmerksamkeit und Wertschätzung: Wir wollen wirklich Leute haben und wir sind auch bereit, dafür etwas zu geben. Aber ich denke, so Dinge wie, wie ist die Arbeit an sich ausgestaltet, können die Menschen sich dort wohlfühlen, können sie selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten, das sind vielleicht die Dinge, die dann doch länger hängen bleiben als das iPhone, das verschenkt wird zum Berufsstart. Natürlich, wenn Sie einen Dienstwagen für die Arbeit brauchen, dann müssen Sie damit ausgestattet werden. Aber ich denke, da gibt es solche und solche Angebote. Es sollte sich eigentlich immer an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientieren.
S2:
Ja, und da ist ja schon so eine Trennlinie, würde ich sagen, so zwischen, also wenn wir jetzt mal so zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privat kommen, ist ja so die Trennlinie zu wirklich klaren, auch personalstrategischen Maßnahmen irgendwie relativ fließend, wenn wir jetzt auf dieses Thema Arbeitgeberattraktivität gucken. Weil, ich würde jetzt mal so sagen, ich weiß nicht, wie Sie das sehen, dass so Maßnahmen zur Vereinbarkeit oder eben auch zur Arbeitszeit, zur Mobilität, das sind ja eigentlich auch so klare, personalstrategische Maßnahmen, oder?
S3:
Ja, natürlich. Ich glaube, in das Employer Branding fließt sehr viel ein. Das ist natürlich die Personalstrategie, aber auch generelle Unternehmensstrategie. Und ich denke, man kann das Wort Strategie beim Employer Branding nicht groß genug schreiben. Man muss wirklich stark in die eigene Analyse gehen. Man muss sich erstmal fragen: Auf welcher Ausgangslage sitze ich gerade oder stehe ich gerade? Was macht die Konkurrenz? Was sind eigentlich die Werte, die ich als Arbeitgeber vertreten möchte? Wie soll meine Marke ausgestaltet sein? Was brauchen meine Mitarbeitenden, die ich gerade halten möchte, weil der Fachkräftemangel immer stärker wird und ich auch nicht möchte, dass irgendjemand abgeworben wird oder dass ich meine klugen Köpfe verliere, weil sie irgendwo anders bessere Arbeitsbedingungen finden? Da muss man einfach ganz klar gucken: Wie stelle ich mich strategisch auf? Wie stelle ich mich auch strategisch in Bezug auf die Konkurrenz auf? Und welche Stärken kann ich hervorarbeiten, damit ich, ja sozusagen ein bisschen zum Leuchtturm werde, dass ich zum einen meine Mitarbeiter behalte, aber auch ein Signal nach außen sende: Hier kann man gut arbeiten?
S2:
Ja, das ist super, dass Sie das nochmal auch so klar in Zusammenhang setzen mit der Strategie, weil das eben ja nicht darum geht, sozusagen alles Mögliche zu verteilen, sondern sich wirklich Gedanken zu machen: Was passt zu mir als Unternehmen und wen möchte ich damit eigentlich auch gewinnen? Und ich glaube, da spielt das strategische Element ja auch eine große Rolle. Das ist gut, dass Sie das nochmal so auch klar betonen. Lassen Sie uns mal zu der Frage kommen, welche Rolle eigentlich dieses Thema Vereinbarkeit bei der Frage von Arbeitgeberattraktivität spielt. Können Sie sagen, ob sich das in den letzten Jahren verändert hat? Spielt Vereinbarkeit eine größere Rolle? Und vor allen Dingen auch: In welcher Form auch in dem Kontext Arbeitgeberattraktivität?
S3:
Naja, also die Arbeitgeberattraktivität bestimmt sich ja auch immer etwas daran, welche Bedürfnisse die Mitarbeitenden mitbringen. Und wir sehen jetzt einfach: Klar, die Corona-Krise war ein großer Umbruch. Wir haben erstmal gespürt, was funktioniert eigentlich alles nicht, wenn unsere Kinderbetreuung zusammenbricht und wir plötzlich Multitasking mit Homeoffice und Job machen müssen. Wir haben aber auch gesehen: Ah, wir können unsere Arbeitsbedingungen doch deutlich besser flexibilisieren, als wir das vielleicht am Anfang dachten. Und wir sehen einfach seit Jahren, dass der Betreuungsbedarf in jungen Familien steigt, also dass immer mehr Kinder auf einen Kita-Platz gebracht werden wollen, dass sich die Betreuungslandschaft leider nicht eins zu eins dementsprechend entwickelt, sodass Eltern immer noch Kompromisse einstecken müssen, was die Betreuungszeiten ihrer Kinder angeht und dann häufig eben auch zum Beispiel gar nicht die Stunden arbeiten können, die sie vielleicht arbeiten wollten. Meistens sind es tatsächlich Mütter, die sich dann reduzieren in ihrer Arbeitszeit. Aber es betrifft natürlich nicht nur Mütter. Und es betrifft auch nicht nur Familien, sondern Vereinbarkeit von Beruf und Familie bedeutet ja nicht nur, dass ich meine kleinen Kinder betreue, sondern dass ich vielleicht auch pflegebedürftige Angehörige habe, um die ich mich kümmern muss, oder zum Beispiel auch ganz im Privaten, dass ich ein Ehrenamt habe, das ich nur dann leisten kann, wenn ich eine bestimmte Flexibilität in meiner beruflichen Planung habe. Also zum Beispiel, von wo ich arbeiten kann oder wann ich arbeiten kann, dass ich irgendwie zwischendurch bei der Tafel aushelfe oder Hier und Da im Seniorenheim unterwegs bin. Das sind auch alles wichtige, gesellschaftliche Dienste, die wir brauchen. Und von daher profitieren viele verschiedene Gruppen von dieser Vereinbarkeit. Und ich hatte tatsächlich auch hier eine ganz interessante Zahl noch mitgebracht: Und zwar sagen 89,2 % der Beschäftigten, die gar keine eigenen Kinder haben oder keine zu pflegenden Angehörigen, dass sie familienfreundliche Maßnahmen im Unternehmen für besonders wichtig halten, weil es ihnen eben zeigt, dass es eine Unternehmenskultur ist, in der der Mensch im Mittelpunkt steht. Das heißt, selbst die Personen sozusagen, wo man sagt, ach ich kann doch auf Mütter und Väter verzichten, ich ziehe mein Unternehmen nur mit alleinstehenden Singles durch, selbst denen sind diese familienfreundlichen Maßnahmen einfach wichtig, weil sie sagen, das ist eine wertschätzende Unternehmenskultur. Und wenn man als Arbeitgeber natürlich sagen möchte, ich habe keine wertschätzende Unternehmenskultur, kann man das machen. Aber wie viele Mitarbeitende man sich dadurch bindet oder rekrutiert, das würde ich mal in Frage stellen.
S2:
Ja, das ist interessant, was sie sagen, weil ja auch Vereinbarkeit, was vielleicht früher eher mit Müttern und Kindern in Verbindung gebracht wurde, sich so ausgeweitet hat, dass das sozusagen jetzt auch ein Kriterium für, ich sage mal, ein Unternehmen ist, was auch eine gesunde Balance für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich wünscht, sich auch dessen bewusst ist, dass das gut ist für das Unternehmen. Das ist ja eigentlich eine sehr positive Entwicklung. Was würden Sie denn sagen, wie weit sind denn die Arbeitgeber bei uns schon, sozusagen das auch wirklich so als strategische Maßnahme auch einzusetzen oder als strategische Personalstrategie einzusetzen?
S3:
Als wir sehen tatsächlich, dass Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Unternehmen sehr häufig eingesetzt werden, dass es vor allem eine große Flexibilisierung bei Arbeitszeit und im Arbeitsort gab – auch schon am Anfang der Pandemie oder vor der Pandemie haben auch schon viele Unternehmen familienfreundliche Maßnahmen angeboten. Das hat sich jetzt natürlich durch die Pandemie und die generelle Flexibilisierung, die wir im Zuge von Homeoffice, das ja auch notwendig war, nochmal erhöht. Was die strategische Ausrichtung vom Employer Branding angeht oder wirklich die Frage, verfügen Unternehmen über eine klare Arbeitgebermarke, haben sie sich damit auseinandergesetzt, was ihre Werte sind und wie sie als Arbeitgeber auftreten wollen, welche Zielgruppen sie besonders ansprechen wollen und haben sie sich auch über deren Bedürfnisse informiert – da sehen wir leider ein bisschen geringere Werte, gerade bei der Arbeitgebermarke. Da sagen viele Unternehmen: Nee, verfügen wir noch nicht drüber, haben wir vielleicht in Zukunft geplant. Aber viele haben das jetzt bisher noch nicht auf dem Schirm und nicht geplant. Das ist auf jeden Fall nochmal ein Punkt, wo man sich wirklich nochmal stärker mit auseinandersetzen könnte, weil in den nächsten Jahren wird es immer schwieriger werden wahrscheinlich, Mitarbeiter zu finden. Die Konkurrenz um die guten Köpfe ist einfach groß. Und wenn man selber etwas dafür tun kann, dass man von außen einfach als ein Punkt wahrgenommen wird oder auch weiterempfohlen wird von den eigenen Mitarbeitern, was ja ein sehr guter Rekrutierungsweg bzw. ein sehr erfolgsversprechender Rekrutierungsweg ist, da schafft man sich natürlich Vorteile. Man muss auch ein bisschen was investieren da rein.
S2:
Wie sehen Sie denn, vielleicht jetzt zum Schluss auch so ein kleiner Blick in die Zukunft, wie sehen Sie denn die Zukunft der Vereinbarkeitsthematik vor dem Hintergrund einer attraktiven Arbeitgebermarke? Sagen Sie, wo wird sich das noch hin entwickeln müssen vielleicht auch, um wirklich noch besser auf die individuellen Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, speziell von Familien, aber eben auch, wie wir gerade auch gesagt haben schon, nicht nur Familien eingehen zu können? Wie sehen Sie das so in der Zukunft oder was spüren Sie da auch so für Tendenzen?
S3:
Ja ok, das stimmt auf jeden Fall. Also ich denke, das wird ein Thema sein, das in der Zukunft nicht ausstirbt. Wir haben einfach, der Anteil der Pflegebedürftigen steigt, der Anteil der Kinder, die Betreuung bedürfen, steigt auch. Wir haben immer mehr Doppelverdiener-Paare, was ja auch gut ist, weil wir brauchen die Leute bei uns, weil wir zu wenig Fachkräfte haben. Von daher, glaube ich, wird das jetzt am Anfang echt auch wichtig sein, eben diese Flexibilisierung der Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort, die ja auch schon stärker umgreift, damit man einfach die Betreuungslücken, die man noch hat, so gut wie möglich abdecken kann. Das ist halt eher dieses Oktopus-Spielen. Wie kriege ich meinen Arbeitsalltag und meinen beruflichen Alltag zusammen? Da helfen natürlich flexible Arbeitszeiten ungemein. Aber in Zukunft wäre natürlich schön, wenn – und das sieht man auch bei größeren Unternehmen vor allem – dass es Unterstützung, wenn nicht gar betriebliche Kinderbetreuung gibt. Und ich finde, vor allem muss man in Zukunft auch verstärkt nochmal Vätern ein Vereinbarkeitsangebot machen. Es ist da so, dass jetzt zum Beispiel auch immer mehr Väter Elternzeit nehmen. Man sieht aber auch immer noch, dass es da viele Vorbehalte gibt, dass viele Väter trotzdem irgendwie Ängste vor Sanktionierungen haben im Betreib: Vielleicht kann ich die Karriereleiter danach nicht mehr so gut aufsteigen, wenn ich diese zwei Monate Auszeit nehme. Und ich denke, deswegen wird es für Betriebe wichtig sein, Vätern aktiv Sicherheit zu vermitteln und auch aktiv eben Angebote zu machen. Und das Wichtigste, finde ich eigentlich, es braucht eben nicht nur familienfreundliche Maßnahmen, sondern es braucht auch wirklich eine familienfreundliche Unternehmenskultur. Und die muss man natürlich auch erstmal etablieren. Da braucht man Führungskräfte, die da mit dabei sind, die vielleicht auch Vorbild sind, auch männliche Führungskräfte, die mal in Elternzeit gehen oder die mal einen Tag kindkrank machen, weil der Sohn von der Kita abgeholt werden muss. Das sind alles Signale, die das unterstützen und ich denke, da werden wir uns hoffentlich hinbewegen, dass wir da mehr Akzeptanz dafür haben, dass wir alle eben nicht mehr jemanden zu Hause haben, der uns Haus und Kinder komplett versorgt, sondern dass wir alle eine Doppelrolle haben.
S2:
Ja und, finde ich, mit dem, was Sie sagen, sieht man ja auch, dass das Thema Vereinbarkeit, das Thema Arbeitgeberattraktivität nicht nur wirtschaftlich eine Rolle spielt, nämlich dass die Stellen alle ordentlich besetzt werden können, sondern auch eine große gesellschaftliche Bedeutung hat und da natürlich auch ein Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft sozusagen auch weiterhin gefordert ist.
S3:
Auf jeden Fall. Also ich meine, die Unternehmen können das natürlich nicht alleine abdecken. Da müssen auch staatliche Angebote an die Kinderbetreuung wachsen. Die sind ja auch geplant. Also ich denke, da sieht man die Bedarfe. Das Problem, was wir da dann wieder haben, die Katze beißt sich in den Schwanz.
S2:
Genau, so heißt es.
S3:
Der Fachkräftemangel in der Pflege und in der Kinderbetreuung, der ist ja natürlich auch jetzt nicht so gering. Da müssen wir auch erstmal Fachkräfte finden, die wir dann an die entscheidenden Stellen stecken können. Und da werden uns noch ein paar gesellschaftliche Aufgaben bevorstehen. Aber ich denke, man muss immer positiv in die Zukunft sehen und einfach hoffen, dass man das in einer gemeinschaftlichen Anstrengung dann auch schafft.
S2:
Glauben Sie, dass speziell kleine und mitteständige Unternehmen da auch nochmal, ja, besondere Unterstützung brauchen oder wie nehmen Sie sozusagen die Situation auch der KMU hier im Speziellen nochmal wahr, die ja oft nicht eine eigene Personalabteilung haben, um das alles super managen zu können?
S3:
Ja, genau. Wir hatten auch in unserer Studie zur strategischen Personalarbeit damals diese Frage gestellt: Wer ist denn eigentlich zuständig? Und ich glaube, 91 % der kleinen Unternehmen haben gar keine eigene HR-Abteilung, sondern da ist der Geschäftsführer zuständig, dass da natürlich zeitliche Beschränkungen darin stehen, wie man sich jetzt strategisch aussetzt im Sinne eines Employer Brandings ist klar. Ich finde, da muss vielleicht dann in Zukunft der Stellenwert der strategischen Personalarbeit in den kleinen Unternehmen noch wachsen. Kleine Unternehmen haben dafür einfach den Vorteil, dass sie natürlich einen viel stärkeren Überblick haben über die Bedarfe ihrer Mitarbeitenden, weil sie viel näher dran sind und häufig auch viel individueller eben auch schon vielleicht ohne eine strategische Ausrichtung an den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden arbeiten können und denen entsprechend Maßnahmen eben basteln können, vielleicht sogar ganz individuell zugeschnitten.
S2:
Und es gibt ja inzwischen auch schon ganz viele Projekte von politischer Seite sozusagen auch gerade, um KMU zu unterstützen und da auch wirklich mit zu zeigen, dass es manchmal gar nicht so wahnsinnig viel Aufwand braucht, um wirklich da auch voranzukommen. Haben Sie da noch einen besonderen Tipp, sozusagen, womit sollte man anfangen, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt? Vielleicht haben Sie da noch aus Ihrer, ja, Beratungserfahrung da vielleicht auch noch einen Tipp?
S3:
Also bei uns auf der Seite haben wir auf jeden Fall ganz, ganz viele Tipps: kofa.de. Das ist der erste Tipp, den ich gebe – ein bisschen Eigenwerbung. Aber nein, ich glaube, der Grundstein tatsächlich ist, zu analysieren: Was ist mein Problem? Was brauche ich? Wo möchte ich hin? Was sind meine Zielgruppen? Und welche Bedürfnisse haben diese Zielgruppen und wie kann ich sie am besten erreichen? Wenn Sie jetzt natürlich ein Problem mit der Mitarbeiterbindung haben, weil Sie viel Fluktuation im Unternehmen haben, müssen Sie da kümmern. Wenn Sie ein Rekrutierungsproblem haben, dann müssen Sie gucken, welche Zielgruppe möchte ich ansprechen und wie haben sich vielleicht einfach die Bedürfnisse in den Generationen geändert. Also was macht die Generation Y anders als die Generation Z und wie muss ich vielleicht nochmal meine Stellenanzeigen anders ausschreiben? Einfach die Analyse der eigenen Stärken und Schwächen. Dazu auch gerne die Mitarbeiter befragen. Die wissen am besten, was die eigenen Stärken und Schwächen des Arbeitgebers sind. Genau, und dann darauf aufbauend die kleinen Schritte weiter gehen.
S2:
Ja, also ein kleines bisschen Mut am Anfang, sich wirklich mit Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen und dann vielleicht auch, genau, die Fragen an die richten, die es am besten beantworten können. Frau Koneberg, ich danke Ihnen ganz, ganz herzlich für das Gespräch und bin gespannt, vielleicht ob der ein oder andere Arbeitgeber dann auch bei Ihnen im Kompetenzzentrum landen wird. Ich danke Ihnen ganz herzlich!
S3:
Vielen Dank für die Einladung!
S1:
In dieser Folge hat Filiz Koneberg uns erläutert, wie Unternehmen sich mit Employer Branding positionieren und so Fachkräfte gewinnen und sichern können. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt dabei eine wichtige Rolle, sogar für Menschen, die keine Kinder haben oder Angehörige pflegen, denn Maßnahmen für mehr Vereinbarkeit sind sichtbares Zeichen für eine positive Unternehmenskultur. Auf chancen-durch-vereinbarkeit.nrw finden Sie weitere Expertenstimmen, Tipps und Service-Beiträge sowie Unternehmensporträts und vieles mehr rund um das nach wie vor aktuelle Thema Vereinbarkeit. Mit dem Newsletter informieren wir Sie gerne über neue Beiträge und Aktivitäten der Initiative. Besuchen Sie gern unsere Website: chancen-durch-vereinbarkeit.nrw.
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